Wie viel Zeit am Bildschirm täglich ist gesund?
Apps, Spiele, Hörbücher – digitale Medien gehören zu unserem Leben und Alltag dazu. Auch jüngere Kinder sind mit Smartphones und Tablets oft schon bestens vertraut – wischen von einem Hörspiel zum nächsten, schauen kleinere Filme und sind verrückt nach Online-Spielen. Was ist hier das richtige Maß? Wie viel Zeit darf ein Kind ohne schlechtes Gewissen am Bildschirm verbringen? In unserem Auftrag befragte das Umfrageinstitut Civey Eltern nach eigenen Erfahrungen: Es nahm die Erhebung unter die Lupe, welchen Einfluss die digitale Welt auf die Gesundheit und das Sozialverhalten ihrer Kinder hat. Die Ergebnisse der Umfrage und die Einordnung einer Psychologin findet ihr in unserem Beitrag.
- Medienzeit Kinder: Weniger ist besser
- Welchen Einfluss hat die Bildschirmzeit aufs Schlafen?
- Mit dem Smartphone durch dick und dünn: Medienkonsum bei Kindern als Auslöser für Gewichtsveränderungen
- Medienkonsum Kleinkinder: Ab welchem Alter sollten Kinder Spiele auf dem Handy oder Tablet spielen dürfen?
Medienzeit Kinder: Weniger ist besser
Bei der Frage, ob Eltern bei ihrem Nachwuchs Veränderungen bemerken, wenn dieser Zeit am Bildschirm verbringt, fiel folgendes auf:
- 35,4 Prozent der Befragten haben eine schlechtere Konzentrationsfähigkeit.
- 36,1 Prozent gaben an, dass das Kind oder die Kinder ein geringeres Interesse an Sport oder Spielen – mit anderen Kindern oder auch allein – haben.
Hintergründe zu diesen Problemen erläutert Dr. Marion Kolb, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und Ärztliche Leiterin der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Bergmannsheil und Kinderklinik Buer Gelsenkirchen:
Tipp unserer Expertin:
„Bei zwei- bis fünfjährigen Kindern, die intensiv Medien nutzen – mehr als 30 Minuten am Tag – sehen wir einen Einfluss auf das Lernen. Die Folgen von zu viel Medienkonsum bei Kindern sind
- Sprachentwicklungsstörungen
- sowie Unruhe,
- motorische Hyperaktivität,
- Ablenkbarkeit
- und Konzentrationsstörungen.
Diverse repräsentative Studien, etwa die BLIKK-Medienstudie, kommen zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen von Kindern gibt. Sogar der übermäßige passive Konsum von Medien – ein im Hintergrund laufender Fernseher – wirkt sich negativ aus, da Kleinkinder von anderen Aktivitäten wie ihrem kindlichen Spiel und sozialen Interaktionen abgelenkt werden.“
Expertinnenprofil lesenWelchen Einfluss hat die Bildschirmzeit aufs Schlafen?
Laut Umfrage beobachten 20,6 Prozent der Eltern Schlafprobleme. „Übermäßiger Medienkonsum bei Kindern kann das Schlafverhalten in Form von Einschlafstörungen, Schläfrigkeit am Tag oder verkürzter Schlafdauer beeinträchtigen. Bereits bei Säuglingen gibt es einen Zusammenhang bezüglich Fütter- und Einschlafstörungen, wenn die wichtigsten Bezugspersonen während der Betreuung parallel am Smartphone oder Tablet beschäftigt sind. Insofern sollten Eltern auch ein gutes Vorbild sein und das eigene Handy gerade in diesen Situationen beiseitelegen“, bestätigt Dr. Marion Kolb.
Mit dem Smartphone durch dick und dünn: Medienkonsum bei Kindern als Auslöser für Gewichtsveränderungen
Eher wenige Eltern beobachten einen Einfluss von Smartphone und Co. auf das Gewicht der Kinder. Nur 8,3 Prozent der befragten Eltern gaben an, bei ihren Kindern eine Gewichtsveränderung, also eine Zu- oder Abnahme, beobachtet zu haben. Gleichwohl darf dieser Punkt nicht vernachlässigt werden, wie die Expertin betont:
Experten-Wissen:
„Zu viel Bildschirmzeit kann auch körperliche Folgen haben. Studien bei 8-13-Jährigen haben ergeben, dass bei täglichem Medienkonsum von mehr als 60 Minuten pro Tag vermehrt Süßigkeiten und Süßgetränke konsumiert werden. Das kann durchaus zu Übergewicht führen. Andere Jugendliche vernachlässigen dagegen ihre Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Hygiene, sodass manche bei exzessiver Mediennutzung auch abnehmen.“
Medienkonsum Kleinkinder: Ab welchem Alter sollten Kinder Spiele auf dem Handy oder Tablet spielen dürfen?
26,3 Prozent der Eltern waren sich einig, dass Kinder frühestens ab einem Alter von 9–12 Jahren Spiele auf dem Smartphone oder Tablet spielen sollten. 29,0 Prozent finden, Kinder sollten dies ab einem Alter von 6–8 Jahren dürfen.
Insgesamt sind also 55,3 Prozent der Eltern der Meinung, dass Kinder Spiele auf dem Tablet/Smartphone nicht vor dem 6. Lebensjahr spielen sollten. Nur 3,6 Prozent der Eltern würden den Umgang mit digitalen Medien schon für Kinder unter drei Jahren und 15,7 Prozent im Alter von 3–5 Jahren erlauben.
„Die Weichen für digitalen Medienkonsum werden im Vorschulalter gestellt, in dem eine selbstreflektierte Mediennutzung in der Regel noch nicht möglich ist“, so Dr. Kolb. Die Ärztin stellt klar:
Extra-Tipp:
„Unter zwei Jahren sollten Kinder nicht eigenständig Medien nutzen. Klare Regeln und feste Medienzeiten sind wichtig. Daher sollten Eltern die Bildschirmzeit begrenzen. Richtwerte für 7-10-Jährige sind 45 Minuten, für 11-13-Jährige 60 Minuten, ab 14 Jahre 90 Minuten. Hinweise für einen schädlichen oder abhängigen Medienkonsum liegen vor, wenn die Mediennutzung die motorische, sprachliche oder sozio-emotionale Entwicklung des Kindes beeinträchtigt. Gleiches gilt, wenn aus der übermäßigen Nutzung körperliche Probleme wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen entstehen oder bei bestehenden psychischen Problemen (ADHS, Depression, Ängste) der intensive Medienkonsum zum Lösungsansatz wird. Dann sollten Familien sich dringend professionelle Hilfe suchen“, erklärt Dr. Marion Kolb.
Die Medienzeit für Kinder sollten die Eltern klar begrenzen. Empfehlungen sind:
Medienzeit 3–4 Jahre | < 20 Minuten am Tag |
Medienzeit 5–6 Jahre | < 30 Minuten am Tag |
Medienzeit 7-10-Jährige | < 45 Minuten am Tag |
Medienzeit 11-13-Jährige | < 60 Minuten am Tag |
Medienzeit ab 14 Jahre | < 90 Minuten am Tag |
Wichtig dabei: Lass dein Kind nicht unbeaufsichtigt, während es mit Smartphone und Co. beschäftigt ist.
Die Gesundheit und Entwicklung deines Kindes liegt uns am Herzen. Bei uns bekommt dein Nachwuchs daher zwei extra Kinderuntersuchungen (U10/U11) und eine Jugendgesundheitsuntersuchung (J2). Hier untersucht der Kinderarzt, ob dein Kind sich altersgerecht entwickelt. Weitere Infos liest du unter Vorsorge für Kinder und Jugendliche.