Lipödem – Was ist das und wie wird es behandelt?

Frau mit kräftigen Beinen läuft auf einer Wiese

Wenn keine Diät so richtig hilft.

„Mach mehr Sport!“, „Stell deine Ernährung um!“, „Iss weniger Chips und Süßes!“ Diese Ratschläge hören übergewichtige Menschen oft. Aber nicht immer entstehen zusätzliche Pfunde durch falsches Essen oder weil man sich zu wenig bewegt. Wenn die Fettpolster sich vor allem an Beinen oder Armen bilden, trotz Diät nicht kleiner werden und Symptome wie Schmerzen, Spannungsgefühle sowie Neigungen zu blauen Flecken hinzukommen, kann es sein, dass du ein Lipödem hast. Unser Experte Dr. Irfan Vardarli beantwortet dir die wichtigsten Fragen rund um diese Krankheit.

  • Was ist ein Lipödem?
  • Welche Symptome treten auf?
  • Wodurch entsteht es?
  • Wie wird es behandelt?
  • Was kannst du im Erkrankungsfall tun?

Dr. med. Irfan Vardarli

Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologe und Experte der KNAPPSCHAFT

Was ist ein Lipödem?

Ein Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung. Umgangssprachlich wird es auch Reiterhosensyndrom genannt. Der Begriff bezieht sich auf die gleichmäßige Vermehrung des Fettgewebes an den Oberschenkeln (seltener an Unterschenkeln und Armen). In das Fettgewebe lagert der Körper verstärkt Flüssigkeit ein. Deshalb auch die Bezeichnung Ödem.

Wichtig: Die Krankheit hat nichts mit Übergewicht oder Adipositas (Fettleibigkeit) zu tun. Diäten helfen nicht gegen die Krankheit.

Welche Symptome treten auf?

Spannungsgefühle, Schwellungen, Druckempfindlichkeit der Haut, Schmerzen, schwere Beine und eine ausgeprägte Neigung zu blauen Flecken oder Blutergüssen. Durch das Fettgewebe bekommen die Betroffenen X-Beine und können sich immer schlechter bewegen. Dr. Irfan Vardarli weiß: „Auch die psychische Belastung ist groß. Vor allem, weil die Symptome nicht immer eindeutig sind und viele Patientinnen lange auf eine Diagnose warten.“

Denn ähnliche Symptome können auch bei anderen Erkrankungen auftreten. Zum Beispiel beim LymphödemDr. Irfan Vardarli erklärt: „Bei dieser Erkrankung bilden sich Flüssigkeitsansammlungen in den Zwischenräumen der Zellen. Dadurch entstehen Schwellungen vor allem an den Armen und Beinen. Eine Verwechslungsgefahr besteht auch bei der Adipositas. Obwohl krankhafte Fettleibigkeit den gesamten Körper und nicht nur einzelne Bereiche betrifft, werden Patientinnen mit Lipödem zunächst oft auf eine Adipositas behandelt.“

Die Diagnose ist nicht einfach. Oft vergehen Jahre bis die Betroffenen die Diagnose Lipödem bekommen. Die Deutsche Gesellschaft für Venenheilkunde schätzt, dass in Deutschland zwischen 500.000 und einer Million Frauen betroffen sind.

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Wodurch entsteht es?

Warum ein Lipödem entsteht, ist unklar. Da fast nur Frauen betroffen sind und die Erkrankung oft nach der Pubertät oder einer Schwangerschaft auftritt, vermuten Ärzte eine hormonelle Ursache. Auch eine genetische Veranlagung wird diskutiert.

Wie wird es behandelt?

Da Ursachen und Risikofaktoren unbekannt sind, ist eine Heilung noch nicht möglich. Es gibt leider auch keine vorbeugenden Maßnahmen. Die Therapie verfolgt daher das Ziel, die Erkrankung zu bremsen und die Symptome zu lindern. Am Anfang wird mit konservativen Maßnahmen behandelt. Das heißt ohne Operation. Eine physikalische Therapie (manuelle Lymphdrainage) sorgt dafür, dass weniger Flüssigkeit im Gewebe eingelagert wird. Kompressionsstrümpfe stabilisieren das Gewebe. Sport und gesunde Ernährung verhindern zusätzliches Übergewicht. Wenn die Krankheit fortschreitet, wird oft eine Liposuktion, also eine Fettabsaugung, empfohlen.

Eine Fettabsaugung ist keine Regelleistung der Krankenkassen.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist unklar, ob die Operation dauerhaft hilft. Die Fettabsaugung beseitigt zwar das übermäßige Fettgewebe. Das kann sich aber erneut bilden. Deshalb müssen die Patientinnen auch nach der Operation weiterhin Kompressionsstrümpfe tragen und zur manuellen Lymphdrainage. Zum anderen handelt es sich bei der Liposuktion um einen Eingriff, der wie alle Operationen Risiken hat.

Aktuell können gesetzliche Krankenkassen die Kosten der operativen Behandlung nur für Patientinnen im Stadium 3 übernehmen. Ob die Liposuktion auch Frauen in Stadium 1 und 2 helfen kann, wird derzeit in einer Studie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) untersucht. Von den Ergebnissen hängt ab, ob die Liposuktion eine Regelleistung der Krankenkassen wird. 

Die Studie wird insgesamt vier Jahre dauern und soll voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen sein. Die Teilnehmerinnen erhalten zunächst für etwa sieben Monate eine herkömmliche Therapie mit Lymphdrainagen und Kompressionsstrümpfen. Danach werden sie nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe wird herkömmlich weiterbehandelt, die andere Gruppe operativ. Die Ergebnisse werden über einen längeren Zeitraum beobachtet. So können die Ärzte feststellen, wie sich die Erkrankung mit den verschiedenen Therapien entwickelt

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Was kannst du im Erkrankungsfall tun?

Ein Facharzt für Gefäßerkrankungen ist der richtige Ansprechpartner. Dr. Irfan Vardarli erklärt, wie die Untersuchung abläuft: „Zunächst führt der Arzt mit dir ein ausführliches Gespräch. Dann folgt eine körperliche Untersuchung. Die ist wichtig, um andere Erkrankungen wie zum Beispiel ein Lymphödem auszuschließen. Dazu schaut sich der Arzt deinen gesamten Körper an: Ist die Körperform gleichmäßig? Wenn du zum Beispiel einen schlanken Oberkörper hast, deine Arme und Beine aber dick sind, deutet das auf ein Lipödem hin.

Danach tastet der Arzt deine Haut ab. Bei einem Lipödem fühlt sich die Hautstruktur unregelmäßig an. Als hättest du Styroporkügelchen oder nussgroße Kugeln unter der Haut. Wenn die Haut eingedrückt wird, bleibt nur kurz eine Delle. Ein weiterer Hinweis ist das negative Stemmersche Zeichen. Das bedeutet, dass sich die Hautfalte über dem zweiten und dritten Zeh anheben lässt. Bei einem Lymphödem kann diese Hautfalte nicht angehoben werden.

Etwas unangenehmer ist der Kneiftest. Der Arzt überprüft damit, ob der Schmerz beim Kneifen der Beinaußenseite größer ist als an der Beininnenseite. Bei gesunden Menschen ist der Schmerz an der Beininnenseite größer als an der Außenseite.

Wenn die Diagnose feststeht, bespricht der Arzt mit dir die weitere Behandlung. Er stellt dir Verordnungen für Lymphdrainagen und Kompressionsstrümpfe aus. Falls nötig, berät er dich auch rund um die Liposuktion. Die Fettabsaugung ist ein operativer Eingriff und kann Risiken haben. Es ist daher wichtig, dass du im Vorfeld gut beraten wirst. Der Eingriff sollte nur bei entsprechend spezialisierten Ärzten erfolgen.

Was du selbst tun kannst? Mit einer ausgewogenen Ernährung hältst du dein Gewicht stabil und verhinderst zusätzliches Übergewicht. Durch regelmäßige Bewegung, zum Beispiel in zertifizierten Gesundheitskursen, bleibst du fit und beugst Bewegungsmangel vor. Geduldig bleiben: Die Lipödem-Behandlung ist dauerhaft erforderlich und benötigt Disziplin. In Selbsthilfegruppen kannst du dich mit anderen Betroffenen austauschen und neue Kraft tanken.

Stärke deine Psyche. Die Erkrankung belastet nicht nur deinen Körper, sondern auch deine Seele. Eine begleitende Psychotherapie kann dir helfen, besser mit deiner Krankheit zurechtzukommen.

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10 Kommentare:
  • Der Beitrag war gut und verständlich geschrieben. Leider bin ich an einen Arzt geraten der mich weder richtig untersucht hat noch mich beraten. Verschrieben hat er mir lediglich eine Kompressionsstrumpfhose. Dazu den Spruch „ Ist chronisch kann man nichts weiter machen“! Ich fühlte mich danach noch schlechter.
    Vielleicht können sie mir ein paar Fachärzte in meiner Nähe mitteilen.
    Mit freundlichen Grüßen
    T.Theiß

    • Hallo Tanja,

      am besten schaust du dich einmal auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung für deine Region um. In der Regel bieten diese Webseiten die Möglichkeit, gezielt nach Ärzten bestimmter Fachrichtungen in der jeweiligen Stadt/Region zu suchen. Für die Diagnose und Behandlung eines Lipödems sind Fachärzte für Gefäßerkrankungen die richtigen Ansprechpartner.

      Viele Grüße

      Maja vom Social Media-Team der KNAPPSCHAFT

      • ich habe ausgeprägte Stadium 3, zusätzlich Gewicht..und ich bekomme keine Operation bis auf Kompressionskleidung..das ist überhaupt nicht normal. ich fühle mich ehrlich gesagt allein gelassen ohne Ziel seit langer Zeit.

    • Hallo Charlene,

      das geht leider nicht, weil die Studie bereits seit einiger Zeit läuft und die Auswahl der Teilnehmer abgeschlossen ist. In die laufende Studie können leider keine neuen Teilnehmer aufgenommen werden.

      Viele Grüße

      Maja vom Social Media-Team der KNAPPSCHAFT

  • Hallo, ich finde den Beitrag sehr gut, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, weshalb die KK 2x im Jahr die Kosten einer Flachstrick Kompressionsstrumpfhose übernimmt + für die Arme, in meinem Fall 1800€/jährlich. Anstatt mit Stadium 2 mir einmalig die Kosten für die OP? Schließlich werden auch die Kosten für eine Magenverkleinerung, oder Bypass übernommen, viele dieser Patienten sind auch trotz OP Übergewicht. Da finde ich die Verteilung sehr unfair. Die Studie endet 2024, DH. Mindestens 1-2 Jahre noch mit Schmerzen leben! Ich kann die KK auch verstehen jedoch ab Stadium 3 ist echt unverständlich, ich habe Stadium 2 und das beinträchtigt mein ganzes Leben… diese Erkrankung ist eine Erkrankung ohne Heilung, jedoch könnte man ohne SCHMERZEN leben… und dass sollte machbar sein…

    • Hallo Sara,

      die Kosten für eine Operation sind deutlich höher als für die Kompressionsstrumpfhosen. Man rechnet mit 4.000 EUR bis 6000 EUR je Extremität bzw. Körperregion. Da unklar ist, ob eine Operation dauerhaft Abhilfe schafft, ist eine Liposuktion bei Stadium 1 und 2 keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen. Eine OP wird bei Stadium 3 derzeit übernommen.

      Ich hoffe, das erklärt, warum eine Liposuktion nicht so ohne weiteres von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Denn es wäre nicht im Interesse der BeitragszahlerInnen, wenn die gesetzliche Krankenversicherung Kosten für letztlich noch ungesicherte Behandlungsmethoden in die Hand nehmen würde.

      Viele Grüße
      Johanna aus der Social Media-Redaktion der KNAPPSCHAFT

      • Liebe Knappschaft
        auch eine Schlauchmagen OP oder ein Magenbypass sind nicht 100% sicher daß die Partien dauerhaft schlank bleiben. und die bekommen sogar die Hautstraffung bezahlt. wo andere die aus eigener Kraft abgenommen haben und verstanden haben wie Ernährung funktioniert , keine Hautstraffung bezahlt bekommen. es sind beides Sachen die keine dauerhafte Garantie geben und trotzdem wird mit zweierlei Maß gemessen. und ja die lipusuktion ist teuer aber über Jahre Kompression und Lymphdrainage zu zahlen ist da auch nicht wirtschaftlich und bringt für die erkrankten auch keine dauerhafte Lösung.

        • Ich schließe mich deiner Aussage an. Außerdem die Folgeerkrankungen die da durch resultieren gehe auch in die Höhe und belasten die KK auch mehr als eine Lipsuktion. Gelenkbeschwerden bzw. Gelenkverschleiß und die dadurch resultierende kosten von neuen Gelenken und OP‘s. Auch die psychische Belastung und Problematik wird außen vor genommen. Nach dem Motto „Lieber den Mensch mit Tabletten ruhig stellen ist günstiger “

  • Ich habe Lipödem Stadium 3 und leider ein BMI von über 35 (das Volumen an den Beinen und armen verursacht das meiste an Gewicht ) und deswegen bekomme ich die liposuktion nicht von der Krankenkasse bezahlt ,ich leide mittlerweile schon an massiven Gelenk Beschwerden (kniearthrose)und rückenproblemen durch das Gewicht der Beine aber es wurde trotzdem von der Krankenkasse abgelehnt, das bedeutet für mich sollte ich neue Kniegelenke benötigen werde ich ich laut den Ärzten nicht operiert weil die Menge an den Knien Zuviel ist

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